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Zunahme seit 2015

Politische Verfolgung in Polen

​In Polen gibt es keine systematische politische Verfolgung im Sinne autoritärer Regime. Allerdings dokumentieren Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International seit Jahren eine besorgniserregende Aushöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien. Diese Entwicklungen betreffen insbesondere die Unabhängigkeit der Justiz, die Rechte von Frauen und LGBT-Personen sowie die Presse- und Versammlungsfreiheit.

Geschichte der politischen Verfolgung in Polen

Zeit des Kommunismus (1945–1989)

  • Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Polen ein kommunistischer Staat unter sowjetischem Einfluss.
  • Politische Gegner, Dissidenten, Intellektuelle, Priester und Gewerkschafter (z.B. Solidarność-Bewegung) wurden vom Staat verfolgt: Überwachung, Verhaftungen, Arbeitslager, teils auch Folter.
  • Berühmtes Beispiel: Lech Wałęsa (Anführer von Solidarność, später Präsident).

Nach 1989: Demokratisierung

  • Mit dem Ende des Kommunismus 1989 begann eine Demokratisierung.
  • Politische Verfolgung im klassischen Sinn (Verhaftungen wegen anderer Meinungen) hörte offiziell auf.

Heutige Situation (seit ca. 2015)

Unter der konservativen Regierung der PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit) gibt es Vorwürfe von:

  • Einschränkung der Justizunabhängigkeit1
  • Kontrolle über Medien2
  • Einschüchterung und Diskriminierung politischer Gegner3

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und EU-Institutionen haben mehrfach kritisiert, dass demokratische Standards und Rechtsstaatlichkeit in Polen unter Druck geraten.4

Justiz und Rechtsstaatlichkeit

Seit dem Regierungsantritt der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Jahr 2015 wurden zahlreiche Reformen umgesetzt, die die Unabhängigkeit der Justiz einschränken. Richter, die sich gegen diese Maßnahmen aussprechen, sehen sich Disziplinarverfahren und öffentlicher Diffamierung ausgesetzt. Die Europäische Kommission hat daher Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet.

Einschränkungen der Versammlungsfreiheit

Amnesty International berichtete bereits 2018 von über 600 Fällen, in denen Demonstrant*innen juristisch verfolgt wurden. Das Recht auf friedlichen Protest sei durch restriktive Gesetzgebung, Überwachungsmaßnahmen und juristische Verfolgung ernsthaft gefährdet. 5

Diskriminierung von LGBT-Personen

Die polnische Regierung hat in den letzten Jahren eine feindselige Haltung gegenüber LGBT-Personen eingenommen. Über 90 Regionen und Kommunen erklärten sich zu sogenannten „LGBT-freien Zonen“. Aktivist*innen berichten von Einschüchterungen, Verhaftungen und strategischen Klagen (SLAPPs), die darauf abzielen, ihre Arbeit zu behindern.6

Frauenrechte und Abtreibung

Im Oktober 2020 entschied das polnische Verfassungsgericht, dass Abtreibungen bei schweren Fehlbildungen des Fötus verfassungswidrig sind. Dies führte faktisch zu einem nahezu vollständigen Abtreibungsverbot. Seitdem sind mehrere Frauen gestorben, weil Ärzte aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen notwendige medizinische Eingriffe unterließen.7

Pressefreiheit unter Druck

Unabhängige Medien und Journalist*innen sehen sich zunehmendem Druck ausgesetzt. Die staatlich kontrollierte Ölgesellschaft PKN Orlen übernahm 2020 die Mediengruppe Polska Press, was zu politischer Einflussnahme auf redaktionelle Inhalte führte. Zudem werden kritische Journalist*innen mit SLAPP-Klagen überzogen, um sie zum Schweigen zu bringen. 8

Repression gegen Richter – Beispiele

  1. Igor Tuleya
    Der Warschauer Richter wurde 2020 suspendiert, nachdem er Verstöße von PiS-Abgeordneten gegen die Parlamentsordnung öffentlich gemacht hatte. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied 2023, dass seine Suspendierung seine Rechte auf ein faires Verfahren und freie Meinungsäußerung verletzte.
  2. Paweł Juszczyszyn
    Dieser Richter wurde suspendiert, nachdem er die Rechtmäßigkeit von Richterernennungen durch den politisierten Landesjustizrat in Frage gestellt hatte. Der EGMR urteilte, dass seine Suspendierung seine Rechte auf ein faires Verfahren und Privatleben verletzte.
  3. Piotr Raczkowski
    Ein Gesetz von 2023 zwang diesen kritischen Richter in den Ruhestand, indem es vorschrieb, dass Militärrichter, die aus dem Militärdienst entlassen wurden, auch als Richter in den Ruhestand treten müssen. Raczkowski war der einzige betroffene Richter.

Repression gegen Journalisten – Beispiele

  1. Wojciech Cieśla
    Der Journalist wurde von der Staatsanwaltschaft ins Visier genommen, nachdem er über die politische Einflussnahme auf die Justiz berichtete.
  2. TVN-Reporter
    Journalisten des privaten Senders TVN wurden verklagt, nachdem sie eine Hitler-Geburtstagsfeier polnischer Rechtsradikaler dokumentierten. Die Regierung beschuldigte sie der Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda.
  3. Gazeta Wyborcza
    Die liberale Tageszeitung sieht sich mit über hundert Klagen konfrontiert, die hauptsächlich von Regierungsvertretern eingereicht wurden. Diese Klagen dienen der Einschüchterung und finanziellen Belastung der Zeitung.
  1. https://www.cicero.de/aussenpolitik/polen-justizreform-pis-richter-demokratie-eu ↩︎
  2. https://amp.dw.com/de/polen-wie-geht-es-dem-land-nach-acht-jahren-pis-regierung/a-66919078 ↩︎
  3. https://www.hrw.org/de/news/2022/12/19/polen-untergraben-der-rechtsstaatlichkeit-schadet-frauen-und-lgbt-personen ↩︎
  4. https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/polen-2023 ↩︎
  5. https://www.dw.com/de/amnesty-versammlungsrecht-in-polen-bedroht/a-44392099 ↩︎
  6. https://www.hrw.org/de/news/2022/12/19/polen-untergraben-der-rechtsstaatlichkeit-schadet-frauen-und-lgbt-personen ↩︎
  7. https://www.hrw.org/de/news/2022/12/19/polen-untergraben-der-rechtsstaatlichkeit-schadet-frauen-und-lgbt-personen ↩︎
  8. https://www.hrw.org/de/europa-und-zentralasien/polen ↩︎
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